Ehemalige Rechtsextreme in der schulischen Präventionsarbeit

Aussteiger – insbesondere ehemalige Rechtsextreme – sind in Deutschland in der schulischen und außerschulischen Präventionsarbeit bereits seit Längerem tätig. Was allerdings bislang nur wenig zu finden ist, sind wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit dieser Einsätze. Antje Gansewig und Dr. Maria Walsh hierzu eine bundesweite Studie durchgeführt, in deren Mittelpunkt insbesondere die Effekte der präventiven Maßnahmen auf Schüler*innen steht. Die beiden Forscherinnen „sehen ihre Aufgabe vorrangig darin, den Fokus der (Fach-) Öffentlichkeit auf den Unterrichtsgegenstand – biographiebasierte Maßnahmen in der schulischen Präventions- und Bildungsarbeit mit dem Schwerpunkt auf ehemalige Extremisten – zu lenken und für einen reflektierten Umgang zu sensibilisieren„, heißt es im Vorwort der Studie.

Das Buch beginnt mit einer thematischen Einführung und der Klärung des Begriffs „Rechtsextremismus“. Hier wird die Extremismustheorie (sog. Hufeisentheorie) einem anderen Modell gegenübergestellt und Kritikpunkte an eben dieser Theorie verdeutlicht. „Die Kritik bezieht sich vornehmlich auf zwei Punkte: Einerseits werde auf dieser Grundlage automatisch eine Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus vorgenommen. Andererseits werde Rechtsextremismus so zum gesellschaftlichen Randphänomen deklariert und gehe mit einer Bagatellisierung einher; folglich werde Rechtsextremismus also nicht als gesamtgesellschaftliches Phänomen angesehen.“ In dem Zusammenhang möchte ich die regelmäßig erscheinende Publikationen zu rechtsextremen Einstellungen in Deutschland von Oliver Decker, Johannes Kiess und Elmar Brähler empfehlen. Und so schreiben auch Gansewig und Walsh, dass gegenwärtig wohl niemand mehr ernsthaft in Frage stelle, dass „undemokratische Orientierungen ebenfalls in der Mitte der Gesellschaft anzutreffen sind und Rechtsextremismus kein randständiges Phänomen“ sei. Vielmehr zeige sich, dass Radikalisierungsprozesse und politisch extreme Einstellungen sowie Erscheinungsformen Phänome sind, die sich nicht an äußeren politischen Rändern entwickeln und etablieren. Sie werden durch gesamtgesellschaftliche, ökonomische, soziale und politische Entwicklungen und Diskurse konstituiert und getragen.

Im Folgenden wird auf die Einschätzung der Wirksamkeit von Szeneaussteiger-Einsätzen eingegangen. Etwa die Hälfte der Befragten bewerten diese positiv, auch wenn es – wie gesagt – nur begrenzt Forschungsergebnisse zu dem Thema gibt. Sowohl im Rahmen der Evaluationsstudie einer schulbasierten Präventionsmaßnahme eines ehemaligen Rechtsextremen als auch der durchgeführten Medienanalyse identifizierten die beiden Autorinnen einige kritische Aspekte solcher Veranstaltungen, wie etwa detaillierte Erzählungen zu Gewalthandlungen. Darüber hinaus konnten sie auf Seiten der Maßnahmenteilnehmer*innen – sprich der Schüler*innen – im Vergleich zur Kontrollgruppe keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich eines Wissenszugewinns oder einer außerschulischen Weiterbeschäftigung mit dem Thema Rechtsextremismus feststellen.

So stellt sich – bei allem Respekt vor Aussteigern einer extremistischen Szene – die Frage, wie sinn- bzw. wirkungsvoll ihr Einsatz an Schulen etc. zur Prävention tatsächlich ist. Schließlich sollten solche Präventionsmaßnahmen in erster Linie zum Wohle der Kinder und Jugendlichen durchgeführt werden und nachweislich positive Effekte auf diese mit sich bringen sollten. Dies ist aber laut der Studie nicht immer der Fall.

Die Studie von Antje Gansewig und Dr. Maria Walsh ist sehr fundiert, die veröffentlichte Monographie sehr strukturiert und ausführlich. Wer sich mit dem Thema Präventionsarbeit beschäftigt und sich insbesondere für die Vorbeugung von Radikalisierung und Extremismus interessiert, sollte dieses Buch lesen. Schnell wird klar, dass der Einsatz ehemaliger Rechtsextremer nicht alleiniges Mittel in Veranstaltungen zur Prävention sein sollte. Vielmehr sind kritisches Begleiten und Prüfen, sowie eine ausreichende Vor- und Nachbereitung angebracht.

ehemalige rechtsextreme in der präventionAntje Gansewig, M.A., Dr. Maria Walsh, M.A.
Biografiebasierte Maßnahmen in der schulischen Präventions- und Bildungsarbeit
Eine empirische Betrachtung des Einsatzes von Aussteigern aus extremistischen Szenen unter besonderer Berücksichtigung ehemaliger Rechtsextremer
474 Seiten
Nomos Verlag
98,- EUR

Ein Kommentar

  1. Ich sehe auch das Problem, dass für solche Projekte eine klare Einbettung in den Unterricht gegeben sein muss, damit die Schüler*innen überhaupt etwas davon haben. Es muss ja schon Wissen über Radikalisierungen vorhanden und aufgebaut worde sein.Und auch dann muss die Person, die kommt, einen Draht zu den Schülern entwickeln und in relativ kurzer Zeit etwas präsentieren, dass einen Mehrwert gegenüber Textarbeit hat. Und da stellt sich für mich schon die Frage, an welcher Stelle die Schüler selbst mehr ins Reflektieren geraten. Wenn sie jemandem gegenüber sitzen, der „das alles schon einmal erlebt hat“ oder ob da nicht auch ein Fallbeispiel via Text und eine gute Analysearbeit im Unterricht einen nachhaltigeren Effekt haben.

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